Jenseits des Bullshits

«Indem wir an der Schnittstelle von Cross-Collateralization und Blue-Sky Thinking arbeiten, werden wir ein neues Niveau von Cradle-to-Grave-Credentialing und End-State-Vision in einer Welt verwirklichen, die durch Architektur definiert ist, um in einer vertikalen Landschaft zu potenzieren.» Und jeder so: YEAH!

Kein Wunder also wird in der PR-Welt vieles als bedeutungsloser Jargon abgetan. Dann stellt sich die Frage: Wie können wir Kommunikatoren den Wert unserer Arbeit besser darstellen? Eine Studie von Shane Littrell liefert überraschende Erkenntnisse und regt zum Nachdenken an.1

Corporate Bullshit Receptivity Scale

Littrells „Corporate Bullshit Receptivity Scale“ (CBRS) lässt mich schmunzeln, denn schon das ist ja fast eine Bullshit-Bingo-würdige Sache. Aber ja, unzählige Meetings habe ich erlebt, in denen hohle Phrasen gedroschen wurden oder „der Kunde da abgeholt werden soll, wo er steht.“ Ich schwanke dann immer zwischen: „Bullshit-Bingo“ und „Ich weiss, was Du meinst, aber sag es doch einfach.“ Und viel Kolleginnen und Kollegen haben einfach genickt und es sogar noch super gefunden, „an der Schnittstellt von Cross-Collateralization und Blue-Sky-Thinking zu arbeiten“. Unwissend, was das überhaupt bedeutet. (Falls es jemand weiss, hinterlasse einen Kommentar.)

Und je tiefer ich in die Materie eintauchte, desto klarer wird: Hier geht es um mehr als nur um die hohle Phrase. Denn die Studie zeigt eine beunruhigende Korrelation zwischen der Empfänglichkeit für bedeutungslose Unternehmensrhetorik und schlechter Entscheidungsleistung.2

Der Schlüssel

Die Ergebnisse von Littrell decken sich mit meinen eigenen Erfahrungen in der Branche: Analytisch denkende Mitarbeiter sind besser darin, den „Bullshit“ zu erkennen.3 Sie stellen nämlich Rückfragen und enttarnen so die hohlen Phrasen. Eine der wichtigsten Fragen: „Kannst Du mir das bitte nochmal erklären?“

Was mich an der Studie besonders nachdenklich stimmt, ist der Einfluss dieser „Bullshit-Empfänglichkeit“ auf die Entscheidungsfindung. Je höher der CBRS, desto schlechter fallen Entscheidungen aus. Dazu zeigen schon ältere Studien: Menschen, die anfällig für bedeutungslose Rhetorik sind, oft auch in anderen Bereichen Schwächen aufweisen. Sie neigen dazu, oberflächliche Informationen zu akzeptieren, ohne sie kritisch zu hinterfragen. In der Praxis kann dies zu voreiligen Schlüssen, mangelhafter Risikoeinschätzung und letztendlich zu suboptimalen Entscheidungen führen. Das bedeutet, wir müssen Inhalt über die Form stellen, aber den Inhalt auch toll verpacken können.

Die Kunst der Balance

Corporate Bullshit ist aber auch das, was wie das Ritual von Affen wirkt, sich gegenseitig zu entlausen. Man gehört dazu, zur Bruderschaft der hohlen Phrasendrescher.4 Man schaut, dass alle es sehen, dass man versteht, was der andere da sagt – wie in der Tierwelt.5 Einige Studien deuten darauf hin, dass selbst scheinbar bedeutungslose Unternehmenssprache die Motivation und das Engagement der Mitarbeiter erhöhen kann.6

Und das ist auch wichtig, hier dabei zu sein, denn schliesslich muss die Nachricht eine Stakeholdergruppe auch semantisch ansprechen. Wie finden wir also die richtige Balance zwischen inspirierender Rhetorik und substanzieller Kommunikation? Ich glaube, der Schlüssel liegt in einem kritischen, aber konstruktiven Ansatz.

  1. Analytisches Denken in den Teams fördern7
  2. Botschaften kritisch hinterfragen
  3. Den kulturellen Kontext berücksichtigen8
  4. Balance zwischen Inspiration und Substanz9

Letztendlich geht es doch uns darum, eine Kommunikationskultur zu schaffen, die sowohl motiviert als auch informiert und keine hohle Luftnummer ist.


  1. Littrell, S., et al. (2024). „The Corporate Bullshit Receptivity Scale: Development and Validation“ der Artikel dazu auf https://www.efinancialcareers.com/news/canadian-university-develops-corporate-bullshit-receptivity-scale-and-test-for-employees ↩︎
  2. Pennycook, G., et al. (2015). „On the reception and detection of pseudo-profound bullshit.“ Judgment and Decision Making https://psycnet.apa.org/record/2015-54494-003 ↩︎
  3. Stanovich, K. E., & West, R. F. (2000). „Individual differences in reasoning: Implications for the rationality debate?“ Behavioral and Brain Sciences, 23(5), 645-726. https://doi.org/10.1017/S0140525X00003435 ↩︎
  4. Vgl.:https://www.forbes.com/sites/forbestechcouncil/2023/11/17/to-unify-your-company-focus-on-communication-and-accountability/ und das ist auch wichtig. Das beschreiben die Autoren hier sehr schön, wenn diese „Fellpflege“ nicht stattfindet. https://weisscie.com/tendieren-wir-dazu-unsere-fellpflege-in-krisenzeiten-zu-vernachlaessigen/ ↩︎
  5. Vgl. dazu den Beitrag vom Max Planck Institut: https://www.mpg.de/12125368/fellpflege-soziales-umfeld ↩︎
  6. Deci, E. L., & Ryan, R. M. (2000). „The „what“ and „why“ of goal pursuits: Human needs and the self-determination of behavior.“ Psychological Inquiry, 11(4), 227-268. https://doi.org/10.1207/S15327965PLI1104_01 ↩︎
  7. Grundlegend nehme man sich das bekannte Buch von Daniel Kahneman vor (2011). „Thinking, Fast and Slow.“ ↩︎
  8. Auch hierzu sei auf einen Klassiker verwiesen: Hofstede, G. (2001). „Culture’s Consequences: Comparing Values, Behaviors, Institutions and Organizations Across Nations.“ https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0005796702001845?via%3Dihub. ↩︎
  9. Schon 1996, zeigte Bart, C. K. (1996). „High Tech Firms: Mission Statements, Performance and Organizational Learning.“ Management Decision, dass eine gemeinsam entwickelte Sprache und ein Mission Statement Einfluss auf die Performance eines Unternehmens hat. https://www.researchgate.net/publication/240258617_A_Model_of_the_Impact_of_Mission_Statements_on_Firm_Performance ↩︎

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