Wer darf leben, wer muss sterben? Was ist ein Leben wert? Warum müssen alle leiden, um wenige zu schützen? Wie behandeln wir die Arbeitnehmer? Und: Wer hat überhaupt das Sagen? Die Corona-Krise und der aktuell noch andauernde Lock-Down werden hoffentlich zu einer breiten gesellschaftlichen Debatte über Ethik und Moral führen. Zeit wäre es dafür.
Es sind für die Einen nur kleine Einschränkungen, für andere bricht die Welt zusammen, wenn über Ostern die Eltern in der Heimat oder das Ferienhaus im Tessin nicht besucht werden dürfen*. Natürlich ist es ärgerlich, natürlich auch in vielen Fällen dramatisch. Aber es ist auch aktuell nötig. Denn lustig ist die Pandemie wirklich nicht.
„Live and let die“
Lustig ist die Pandemie aus mehreren Aspekten nicht. Abgesehen von den zum Teil dramatischen gesundheitlichen und strukturellen Dramen, so sind es die wirtschaftlichen Folgen, die diese Krise so fürchterlich machen. Zudem sind es auch die gesellschaftlichen Debatten, die sich zwischen den allein in Deutschland lebenden 80 Millionen Virologen, Staatsrechtlern, Politik- und Wirtschaftsexperten entfalten und Gräben ziehen.
Doch bleiben wir bei der Wirtschaft. Die EU sowie verschiedene Staaten, wie etwa Deutschland, versuchen die durch die Krise in Notlage geratene Unternehmen mit Krediten zu retten.** Unternehmungen mit wenig wirtschaftlichem Erfolg, die also auch ohne Krise auf Messerschneide zwischen Insolvenz und Überleben tanzten, werden bankrott gehen. Alleine das ist schon tragisch genug.
Doch auch die zu den besten Konditionen gewährten Kredite müssen irgendwann mal abgestottert werden. Für manche Unternehmen ist das machbar, anders, wie etwa Restaurants etc. werden nicht plötzlich Mehrumsatz verzeichnen, nur weil man wieder etwa in die Pizzeria oder zum Coiffeur gehen darf. Und dann stellt sich schnell die Frage: Wieviel Shutdown darf man einer Wirtschaft zumuten? Oder anders gefragt: Wieviel ist ein Menschenleben wert?** Einen guten Beitrag dazu findet Ihr bei Avenir Suisse.****
Mediales Gemetzel
Breit ausgeschlachtet wird das Thema Corona kommunikativ in allen Medien. Die einen bombardieren die Leser mit in Warnfarben gehaltenen Sonderseiten, anderer machen Clickbaiting ohne Ende und einige wenige – nämlich zumeist die guten alten öffentlich-rechtlichen Sender sowie die etablierten überregionalen Tageszeitungen – berichten ausgewogener und differenzierter als manch andere.
Kurzum, die Medien arbeiten sich an der Krise ab, wie die deutsche Fussball Nationalmannschaft 2016 bei der EM gegen Italien im Viertelfinale mit dem legendären 7:6. Sie greifen parteipolitische Ränkespiele auf, wie etwa Roger Köppels Tweets, in denen er fordert, mit der „Selbstverbrennung der Wirtschaft“ aufzuhören. (NZZ) Oder wo er über den „differenzierten Schutz von Risikogruppen“ spricht, um die Wirtschaft zu schützen. Alles ist gut für eine Schlagzeile.
Aber auch „Experten“ gibt es wieder viele – ähnlich der steigenden Zahl der Bundestrainer rund um sportliche Grossanlässe. Jeder positioniert sich mit anderen Aussagen, Wissenschaftler und Virologen trauen sich nicht mehr vor die Medien, da sie alle zu sehr verkürzen müssen und damit unpräzise werden. Bekannt ist aktuell die Kritik des Virologen Kerkulé an der Krisenpolitik der Deutschen Regierung, Prof. Drosten, der eben diese Politik mitsteuerte und in seinem Podcast über Corona aufklärt. Nun greift auch die Opposition wieder an und beschwert sich, dass nicht die richtigen Experten den Regierungen als Ratgeber zur Seite stehen. Na Prost Mahlzeit.
Was bleibt?
Ich bin der Ansicht, dass etwas mehr Gelassenheit, etwas mehr Vertrauen in auch harte Entscheidungen her muss, um solche Krisen zu überstehen. Ich bin aber auch überzeugt, dass die Gesellschaften positiv aus dieser Zeit hervortreten werden. Viele Diskussionen müssen dennoch geführt werden. Wie etwa die, wie wir mit systemkritischen Berufen und deren Entlöhnung umgehen wollen.****** Hoffentlich werden sie geführt.
Weiterführende Links
- *Siehe Roger Köppels Tweet dazu: Link oder der Bericht auf Nau.ch
- **In national-orientierten Strategiepapieren versucht die SVP die Corona Krise zu nutzen. Das Problem dabei: Die Schweiz ist derart wirtschaftlich vernetzt und auf das „Ausland“ angewiesen, dass nationale Strategien unter Umständen nicht funktionieren. Das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung publiziert dazu dieses Dokument.
- *** Vergleiche dazu diesen Beitrag in 20min.ch sowie die andere Betrachtungsweise durch die UNIA. Oder dieser Beitrag: Welt.de
- ****Studie der Avenir Suisse „Wann schadet der Corona-Shutdown mehr als er nützt?“ oder „Volkswirtschaftliche Auswirkungen eines umfassenden Shutdown“ oder natürlich „Mehr Freiheiten für die Unternehmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie.“ Ebenfalls eine sehr gute Betrachtung der Situation findet sich in mehreren Beiträgen bei Gabor Steingarts Morgen Briefing.
- *****Schöner Podcast dazu auf Deutschland Funk Nova.