Dekomplexen

Massentauglich sind Themen wie Klima, Energiewirtschaft, Migration oder auch Altersvorsorge nicht. Denn sie sind zu komplex. Und gerade das nutzen verschiedenste Interessensgruppen gnadenlos aus.

Unwetter
Wenn das Wetter verrücktspielt und das Klima sich wandelt.

Dieser Beitrag reift in meinem Kopf, seitdem eine Bekannte meinte, dass die Berichterstattung rund um die Dürre in Europa und anderen Teilen der Welt nur Panikmache sei. Denn solange ihr Nachbar noch den Rasen sprengen kann, wäre ja genug Wasser da. Diese Aussage ist nicht nur kurzsichtig, schlimmer noch, sie ist ignorant und wahnsinnig idiotisch. Gleichzeitig ist sie aber auch ein Kind der aktuellen öffentlichen Debatte und der Berichterstattung.

Komplexität

Ich glaube, dass die Bekannte schlicht und ergreifend nicht weiss, was sie da sagte. Denn wie soll jemand, der kein Klimaforscher ist, verstehen, wo der Unterschied zwischen Wetter und Klima ist? Wenn überall vom Klimawandel gesprochen wird, wo es einfach nur um Wetterumschwünge geht. Oder noch schlimmer, wenn Euphemismen wie „lokales Wetterphänomen“ Dinge wie Sturzregen, Tornados etc verniedlichen oder gar aus dem globalen Zusammenhang reissen. Hier sind nicht nur die Medien schuld, die viele Dinge der Einfachheit halber dramatisieren oder falsch formulieren. Hier sind auch die Einflussgruppen und Lobbyisten aber natürlich auch die politischen Administrationen schuld.

Neusprech

Der amtierende US Präsident macht vor, wie es geht. In seinen Anweisungen an Behörden regelt er den Sprachgebrauch. Regelt genau, welche Vokabeln gut sind und welche schlecht. Elisabeth Wehling hat es in dem Interview in der Republik schön zusammenfasst:

Vielleicht haben Sie mitbekommen, dass Trump ein Memorandum unterschrieben hat, dass das eigene Landwirtschaftsdepartement künftig nur noch von Wetterextremen sprechen soll und nicht mehr vom Klimawandel. Extremes Wetter, das ist die Frage: Regnet es heute vor meiner Haustür, wird es wärmer oder kälter? Und wenn nicht, dann habe ich innerlich schnell die Idee verworfen, dass so was wie Klimawandel überhaupt stattfindet.

Komme ich auf die Bekannte zurück, so ist sie auch Opfer dieser Schlagwort-Denke, Opfer des Neusprechs. Aber auch Opfer der komplexen Zusammenhänge und auch schlicht der Begrifflichkeiten (dazu sei ein Blogbeitrag von Jörg Kachelmann empfohlen). Bei ihm klingt das dann so:

Heute ist alles anders. Nicht nur ist die Hitze eine ganz böse geworden, obwohl sie zumindest bisher weniger schlimm war als 2006 oder 2003, sie wird sogar von weiten Teilen der Medien und Parteien fälschlicherweise als Ursache für die Probleme in der Landwirtschaft, in den Flüssen und Wäldern angesehen. Das ist atemberaubender Unfug, weil die Hitze erst seit gut einer Woche in unser Land gekommen ist, und die eigentliche Ursache für die Misere, die Dürre, schon seit mehreren Monaten vor allem in der Mitte und im Norden Deutschlands herrscht.

[…] Das Problem ist, dass für normale Menschen nicht erkennbar ist, wann welche Seite welchen Unsinn erzählt, weil meist nur die eine Seite ohne kritische Hinterfragung wiedergegeben wird. Damit haben auch Rechtsextremisten in der AfD jede Möglichkeit, allen denkbaren Unsinn im Zusammenhang mit Klima und Wetter mitzuteilen, den vielleicht noch Menschen als solchen erkennen können, die vor 50 Jahren in die Schule gegangen sind, als naturwissenschaftlicher Unterricht eine nennenswerte Rolle spielte. Heute verlassen viele junge Menschen die Schule, ohne eine Ahnung von den Zusammenhängen der Wetterküche gehört zu haben[…]

Will ich also den Polemisierungen nicht auf den Leim gehen, muss ich mich also bilden, mehr als eine Informationsquelle zu Rate ziehen und alle Seiten der Medaille anschauen. Auch wenn es das eigene politische Wertegefüge potenziell zerrüttet, so sollte auch die gegensätzliche politische Meinung validiert werden, um sich allem nicht für dumm verkaufen zu lassen, wenn einige Polemisierer rumpoltern. Wie borniert und ideologisch manche Politiker sind, zeigt das Sommerinterview mit Alexander Gauland sehr deutlich:

Ich glaube nicht, dass es gegen den Klimawandel irgendetwas gibt, was wir Menschen machen können […]

Qunitesszenz

Sprache und Bildung gehen Hand in Hand, um Meinungen zu steuern. Das war immer so und wird immer so bleiben. Was wir wieder lernen müssen, ist kritisch zu hinterfragen, Parolen nicht widerstandslos zu glauben. Und auch Dinge dreimal zu prüfen – vor allem das eigene Wissen. Denn auch die komplexesten Dinge können in Einzelteile aufgebrochen werden. Doch Obacht: wird man zu kleinteilig, geht das übergeordnete Bild verloren. Dann ist Wetter plötzlich Klima und Klima plötzlich Wetter und das Wasser kommt zuverlässig aus dem Hahn.

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